Was sind agile Retrospektiven?

Mit Retrospektiven zur besseren Zusammenarbeit im Team

Teamwork und Kollaboration sind in der heutigen Zeit häufig genutzte Begriffe. Nur in divers aufgestellten Teams, die auch über ihre Grenzen hinweg mit anderen kollaborieren, können wir die Herausforderungen der VUCA-Welt meistern. Doch nur weil Teamwork und Kollaboration gefordert werden, heißt das nicht, dass die Zusammenarbeit auch optimal funktioniert. Dabei lässt das tägliche Hamsterrad der Arbeit aber kaum Raum, sich über Schwierigkeiten und Probleme in der Zusammenarbeit fokussiert zu unterhalten. Hinzu kommt die Sorge um den durch ein Feedback möglicherweise ausgelösten Stress mit Kollegen:innen. Doch das muss nicht sein! Mit gut durchgeführten Retrospektiven haben Teams die Chance, gemeinsam an der Zusammenarbeit zu arbeiten und zu wachsen!

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In agilen Methoden wie Scrum und OKR sind Team retrospektiven fest im Framework verankert. Aber auch Kanban nutzt dieses kraftvolle Instrument, um sich als Team immer wieder zu hinterfragen und so Verbesserungspotenzial zu entdecken.

Doch auch Teams, die nicht nach einer agilen Methode arbeiten, können Retrospektiven nutzen, um die Zusammenarbeit ins nächste Level zu heben. Retrospektiven stellen somit auch eine Möglichkeit dar, erste Kontaktpunkte mit agilen Methoden, Praktiken und Werten zu schaffen. Aber Obacht: auch wenn eine Retrospektive zunächst einmal „nur“ wie ein weiteres Meeting aussieht, so entwickelt sie erst ihr volles positives Potenzial, wenn sie richtig durchgeführt und moderiert wird. Wird sie unsachgemäß und falsch durchgeführt, kann mit ihr im Ernstfall sogar das sprichwörtliche Porzellan zerschlagen werden! Dann wird die Zusammenarbeit nicht besser, sondern eher schwieriger.

Nun mal Butter bei die Fische…

…könnte das Motto der Retrospektive sein! Sie ist das Meeting für das Team, in dem offen und ehrlich aber strukturiert und konstruktiv über alles gesprochen wird, was sich auf die Zusammenarbeit auswirkt – positiv wie negativ. Im Team werden dann gemeinsam Maßnahmen als Experimente beschlossen, um sich als Team weiterzuentwickeln. Damit eine Retrospektive also erfolgreich sein kann, müssen alle Teammitglieder bereit sein, ihre Sichtweisen mitzuteilen. Nur wenn alle Fakten auf den Tisch kommen, können gemeinsam auch entsprechende Lösungen gefunden werden. Doch dies darf nicht zum „Tag der Abrechnung“ voller Schuldzuweisungen und Bloßstellungen ausarten. Um das zu schaffen, braucht es die sogenannte psychologische Sicherheit, einen geschützten Rahmen und eine erfahrene Moderator:in.

Die Gäste

An der Retrospektive nehmen das Team und die Moderator:in teil. Dabei kann die Moderator:in auch aus dem Team kommen; allerdings hat sie während der Retrospektive ausschließlich die Rolle der Moderation und nimmt nicht als Teammitglied aktiv an der Datensammlung und Lösungsfindung teil. Weitere Gäste sind nur in begründeten Fällen UND nur mit Zustimmung des gesamten Teams erwünscht.

Moderator:in vorhanden
Moderator:in nimmt nicht aktiv an den Diskussionen teil
Team akzeptiert die Moderator:in

× Vorgesetzte nehmen teil, ohne im Team zu arbeiten und ohne das Team zu befragen
× Schuldzuweisungen und Bloßstellungen werden akzeptiert

Video starten 

In diesem Video werden kurz die wichtigen Aspekte einer agilen Retrospektive erläutert. Erfahre gemeinsam mit Tina unserer Hauptfigur mehr über die Moderatorenrolle und den Aufbau einer Retrospektive.

Die Durchführung

Je nachdem, wer befragt wird, besteht eine Retrospektive aus vier bis sechs Phasen. In unserer Beratungs- und Coachingpraxis nutzen wir das gängige 5‑Phasen Modell. 

Set the StageDie Bühne vorbereitenEinstimmung der Teilnehmenden auf die Retrospektive; mentales Ankommen
Gather DataDaten sammelnInformationen, Daten, Fakten und Meinungen zur Zusammenarbeit in den vergangenen Wochen sammeln
Generate InsightsEinsichten gewinnenDie gesammelten Infos clustern, hinterfragen, verstehen und abstimmen
Define ActionWeiteres Vorgehen definierenMögliche Lösungen für die „High votes“ diskutieren, Entscheidungen treffen und dokumentieren / visualisieren
Close RetrospectiveAbschlussFeedback, Ausklang

Einige fassen die ersten beiden Phasen zu einer zusammen. Doch unserer Meinung nach sollten diese Phasen getrennt behandelt werden, da sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Außerdem ist die erste Phase wichtig dafür, dass in der zweiten Phase überhaupt relevante Informationen zusammengetragen werden können.

Andere wiederum fügen noch eine Phase ein, in der überprüft wird, ob alle Maßnahmen aus der vorangegangenen Retrospektive erfolgreich gewesen sind, um somit dem im agilen Umfeld genutzt Inspect & Adapt Ansatz zu genügen. Wir glauben, dass nicht erfolgreiche Maßnahmen, die noch immer ein Problem darstellen, sowieso wieder in der Retrospektive auftauchen werden und verzichten daher auf diese Phase. Agilität bedeutet eben auch, nicht stur einem Muster zu folgen, sondern immer zu schauen, was sinnvoll ist.

Ein bisschen Spaß muss sein!

Damit die Retrospektive nicht nur hilfreich ist, sondern auch Spaß macht, hat die Moderator:in die Aufgabe, einen inspirierenden Rahmen mit spannenden Fragestellungen zu schaffen – und dabei darf es gerne kreativ und bunt zugehen. Die Webseite retromat kann helfen, wenn dir als Moderator:in einmal die Ideen ausgehen. Ein grundlegendes Muster findet sich aber in allen Varianten:

Was war gut? – Was war nicht gut? – Was haben wir gelernt?

Ich persönlich liebe die Abwechslung bei Retrospektiven. Dazu passe ich auch mal die Fragestellungen an die Jahreszeit oder an ein Event an. Außerdem mache ich die Thematik und die Übungen abhängig vom Team, vom Zustand des Projektes oder aber auch vom Zeitpunkt des Projektes. 

2020 New Years Retrospektive
Neujahrsretrospektive 2020

Mit der Wahl der Fragestellungen und der Thematiken kann die Moderator:in sowohl Spaß in die Retrospektive bringen als auch die Richtung der Datensammlung und damit der zu erkundenden Bereiche vorgeben.

Nachfolgend findest du ein Beispiel für eine Retro mit Übungen, die ich regelmäßig nutze:

Set the Stage

Verlesen und Besprechen: „Oberste Direktive“ & „Vegas Rule“

Kreative Aufgabe: „Welchen Filmtitel würdest du eurer Zusammenarbeit in den letzten Wochen geben und welches Genre wäre der Film?“ Ergebnisse werden vorgelesen und begründet

Gather DataBrainwriting!!! (mit Bezug auf die Fragestellungen aus „Generate Insights“)
Generate Insights

„Der Heißluft-Ballon“: Was lässt euch abheben? Was hält euch am Boden? Was gibt euch zusätzlichen Auftrieb? Was kann euch gefährlich werden?

Voting mit Strichen / Klebepunkten; 5‑Why Methode;

Define ActionIdeen entwickeln & diskutieren; nächste Schritte beschließen mit Zuständigkeiten
Closing RetroStimmungsbarometer „Wie geht es dir nach dieser Retro?“ mit Bewertung und Begründung
Retrospektive: Heissluftballon
Übung Heissluftballon

Auch Retrospektiven wollen gelernt sein!

Wer Wunder gleich von der ersten Retrospektive erwartet, der setzt die Messlatte definitiv zu hoch an. Die Teilnehmenden müssen zunächst einmal Vertrauen gewinnen, dass die angesprochenen Themen wirklich keinen negativen Einfluss auf die weitere Arbeit haben. Gleichzeitig müssen sie sich mit der Methode vertraut machen. Unsere Erfahrung ist es, dass Teams bei der ersten Retrospektive zunächst einmal sehr oberflächlich bleiben und allgemeine Aspekte ansprechen. Je häufiger sie dann aber an Retrospektiven teilnehmen, desto wertvoller werden die Ergebnisse. Daher ist es auch wichtig, dass Retrospektiven in regelmäßigen, kurzen Abständen von drei bis sechs Wochen durchgeführt werden. Das schafft Übung und Nachhaltigkeit!

Zu guter letzt…

…ein paar absolute No Go´s, wenn du eine erfolgreiche Retrospektive durchführen willst:

× Moderator:in ist nicht vorbereitet / wird erst in der Retro bestimmt
× nur eine:r / wenige sprechen
× Meetingsituation ohne Kreativität
× Anmerkungen / Informationen anderer werden abgetan / negativ kommentiert
× Teilnehmende beschäftigen sich mit anderen Dingen
× Infos aus der Retro werden nach außen getragen
× „Camera off“ in der online Retrospektive

Fazit

Retrospektiven sind nicht nur super hilfreich, sondern machen auch Spaß. Auch für Teams, die jetzt im Homeoffice arbeiten, stellen Retrospektiven eine gute Möglichkeit dar, sich kontinuierlich zu verbessern. Doch bevor du in die erste Retrospektive als Moderator:in startest, beschäftige dich mit dem Thema, denn deine Rolle ist enorm wichtig. Alternativ holt euch als Team eine erfahrene, externe Moderator:in, von der ihr lernen könnt!

Signature Sabine Wojcieszak