Veränderungen sind schon immer ein Bestandteil unserer Lebens- und Arbeitswelt gewesen. Was sich geändert hat, ist das Tempo, mit dem sich die Welt um uns herum wandelt. Doch das passiert nicht erst mit Corona! Seit VUCA und Digitalisierung wird darüber gesprochen, dass die Welt sich immer schneller verändern wird, dass Veränderung die neue Norm werden wird oder sogar auch schon lange ist. Corona macht dieses neue Umgebungsverhalten nur sehr plakativ deutlich. Und gleichzeitig bei erhöhter Veränderungsgeschwindigkeit wächst auch noch die Komplexität! Unsere Art zu Leben und zu Wirtschaften ist inzwischen sehr stark miteinander verwoben, dass eine Veränderung in einem kleinen Teil dieses Netzes weitreichende Auswirkungen auf viele andere Bereiche haben wird – Auswirkungen, die auf den ersten Blick nicht vorhersehbar sind. Der Ansatz des Systems-Thinking beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen von Veränderungen in komplexen Systemen. Daher ist der Systems Thinking-Ansatz in der heutigen Unternehmenswelt ein wichtiger Faktor.
Veränderungen: The New Black
Doch wenn wir wissen, dass in der komplexen Welt von heute und morgen Veränderungen immer mehr die Norm sein werden und wir sie nicht aufhalten können, macht es keinen Sinn, knappe Ressourcen in reiner Bestandswahrung in das „das war schon immer so“ oder „das haben wir schon immer so gemacht“ zu versenken.
Eine Krise wie Corona ist schon extrem, und doch ist bei vielen Unternehmen Corona wahrscheinlich trotzdem nicht der Grund für deren Probleme, sondern allenfalls der Auslöser, der die Probleme sichtbar macht. Wenn Unternehmen mehrere Wochen benötigen, bevor sie endlich vom Home-Office aus wieder ins Arbeiten kommen, dann hat man sich dort scheinbar lange den Diskussionen gegenüber einer flexibleren Art des Arbeitens verschlossen. Wenn Unternehmen aufgrund einer Krise zu lange in Schockstarre verfallen, anstatt nach Wegen aus der Krise rauszusuchen, ist aktive, selbst gesteuerte Veränderung wohl nicht deren bisheriges Thema gewesen. Eine Krise zeigt sehr deutlich, wie anfällig Unternehmen zum Teil sind. Wenn das Streben nach immer mehr Wachstum dazu führt, aktive Veränderungen, Innovation im Unternehmen und die Stärkung der Resilienz zu vernachlässigen, ist das ein durchaus gefährlicher Weg. „Wir sind unbesiegbar, uns kann nichts passieren!“, ist der Hochmut, der schon viele zu Fall gebracht hat!
Auf Veränderungen reagieren können ein wichtiger Skill
Auf Veränderungen zeitnah reagieren zu können, ist ein wichtiger Skill. Doch aufgrund der Komplexität reicht es nicht, einfach nur schneller zu werden. Schnell und trotzdem umsichtig ist das anzustrebende Ziel!
Ich sag es mal mit einer Sport-Metapher: Wer zu schnell rennt und dafür ggf. nicht einmal trainiert ist, verfällt in den Tunnelblick – und erkennt damit nicht mehr, was am Rande so passiert! Unter Umständen werden so richtunggebende Hinweise nicht wahrgenommen und man verläuft sich! Außerdem wird die Puste sehr schnell ausgehen und die Erholungsphase sehr lang werden. Und glaub mir, ich weiß wovon ich spreche. Ich habe selber lange Jahre Leichtathletik als Leistungssport betrieben und auch Breitensportler betreut sowie Breitensportveranstaltungen durchgeführt. Ich habe diese Phänomene selber erlebt und bei anderen gesehen. Das spannende dabei ist, sie lassen sich 1 : 1 auf die Unternehmenswelt übertragen!
Veränderung heißt Bewegung als Team
Wer sich verändern will, muss in Bewegung bleiben. Doch Bewegung richtig, koordiniert und ausdauernd durchführen zu können, erfordert Training. Das gilt im Sport wie für Unternehmen. Das gilt aber ebenso für jede einzelne Person wie für das Team!
In Teamsportarten werden dafür sowohl die Skills und Aspekte der einzelnen Teammitglieder trainiert; zusätzlich dazu kommt aber auch noch die Koordination der Rollen, Aufgaben und Skills: das Trainieren des Zusammenspiels. Es reicht eben nicht, wenn jeder nur seine körperliche Fitness und seine Technik trainiert; das Ganze muss auch aufeinander abgestimmt sein. Doch warum trainieren sie eigentlich? Nur um des Trainieren-Willens? Nein, die Sportler trainieren für den Ernstfall – den Wettkampf, das Turnier, das Spiel. Und der Trainer hat die Aufgabe, die Mannschaft dafür fit zu machen, auf die sich auf dem Spielfeld plötzlich ergebenden Situationen angemessen reagieren zu können. Sie müssen die Situation einschätzen, das Risiko bewerten, sich untereinander abstimmen und richtig (re)agieren. Der Trainer steht dabei allenfalls noch an der Seitenlinie, kann von außen einige Infos zurufen, doch die Umsetzung müssen die Teams alleine vornehmen.
Vom Wissen zur gelebten Praxis
Wenn wir also wissen, dass die Welt um uns herum sich schnell verändert und dabei viel Komplexität mit sich bringt, wenn wir wissen, dass in komplexen Umgebungen Fehler sehr wahrscheinlich sein werden, wenn wir wissen, dass Veränderungen nicht aufgehalten werden können – wäre es dann nicht an der Zeit, Unternehmen, Teams und Mitarbeiter dahingehend zu trainieren, dass sie in der Lage sind, die Veränderungen rechtzeitig zu erkennen, Probleme schnell zu analysieren und darauf zu reagieren?
In der agilen Welt wird immer wieder über die sogenannten High Performing Teams gesprochen. Doch was macht ein High Performing Team aus? Ganz einfach: High Performing Teams sind in der Lage, sehr schnell Probleme zu identifizieren, zu analysieren, dazuzulernen und das neu Gelernte ganz schnell umzusetzen. Das ist weder Zeit noch Platz zum Jammern darüber, dass „früher alles besser war“ oder es „schon immer anders“ gemacht worden ist. Es gibt keine Widerstände gegen Neues; das gemeinsame erklärte Ziel ist der Erfolg.
Jetzt werden so einige denken: „Ja, wenn wir nur die richtigen Leute dafür hätten, dann könnten wir das auch!“
The grass is greener
Das sogenannte „The grass is greener“-Syndrom tritt immer wieder zutage. Ein sehr bekanntes und immer wieder zitiertes Beispiel stammt von einer internationalen IT-Konferenz, wo sich 2013 ein CTO einer Fortune 100 Firma damit entschuldigte, dass sie eben nicht so tolle Produkte und super Qualität entwickeln können wie Netflix, weil Netflix ja diese ganzen „Superstar-Engineers“ habe. Adrian Cockroft, zu dem Zeitpunkt der verantwortliche Cloud-Architekt bei Netflix, antwortete darauf:
”We hired them from you, and got out of their way…” Adrian Cockroft
„Wir haben sie von euch engagiert und lassen sie dann einfach ihren Job machen.“ Und Cockroft sagt damit eines ganz deutlich: Es sind dieselben Leute, die bei uns Superkräfte entwickeln, die vorher bei euch gearbeitet haben. Es liegt also scheinbar nicht an den Leuten, sondern an der Umgebung, die wir als Unternehmen ihnen bieten: an Vertrauen, an Führung, an Kultur, an Rahmenbedingungen, an Freiheitsgraden, an der Möglichkeit sich zu entwickeln.
Neben dem „The grass is greener”-Syndrom gibt es noch andere Effekte, die in eine ähnliche Richtung zielen. Einer davon ist ”Joy´s Law“: ”¬No matter who you are, most of the smartest people work for someone else.“ Aber auch Donald Rumsfeld hat dazu eine Regel entwickelt, die heute als Rumsfeld´s Rule bekannt ist: ”You go to war with the army you have. They are not the army you might want or you wish to have at a later time!”
Potentiale nutzen, Freiräume schaffen oder Kontrolle ausüben?
Es ist also klar, dass es immer darum geht, was wir mit den Leuten, die wir haben machen: geben wir ihnen die Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten, die sie brauchen, um ihre Jobs zu machen oder versuchen wir sie zu kontrollieren, in starre Systeme zu pressen, ihnen Hindernisse in den Weg zu stellen und an unnütze Regeln und Vorschriften zu ketten?
Da Netflix schon lange erkannt hat, dass sie einerseits großartiges leisten wollen, andererseits sich die Welt weiterentwickelt und sie selber es auch tun müssen, und dass damit Fehler und Probleme auftreten werden. Doch wenn sie sich entwickeln wollen, und die komplexe Umgebung sich auch entwickelt, sind Fehler nicht vermeidbar. Also trainiert Netflix die Mitarbeiter nicht auf Fehlervermeidung. Es trainiert die Teams darauf, Fehler zu erkennen, zu analysieren und darauf zu reagieren. Dafür gibt es extra den Chaos Monkey, der die Teams regelmäßig challenged. Damit werden mehrere Dinge erreicht:
- Die Teams wissen, wie sie in Problemsituationen und Krisen reagieren müssen.
- Probleme und Krisen verlieren die Aura des Schreckensgespenstes; die Schockstarre entfällt (oder wird drastisch verkürzt).
- Die Teams gewinnen an Autonomie und Selbstbewusstsein
- Das verbessert die Reaktionszeiten um ein Vielfaches.
- Gleichzeitig erhöht das die Resilienz des Teams und des Unternehmens.
Im Gegensatz zur Robustheit von Unternehmen und Systemen, die großen Belastungen und widrigen Umständen lange standhalten können, geht Resilienz noch darüber hinaus: Es bedeutet, die Fähigkeit zu entwickeln, Gefahren, Probleme, Risiken rechtzeitig zu erkennen, sie zu analysieren und entsprechend darauf zu reagieren und sich anzupassen, um auch nach der Krise noch weiterzubestehen.
Vom High Performing Team zur High Performing Company
Doch warum sprechen wir eigentlich immer nur über High Performing Teams? Wie wäre es mal mit High Performing Companies?
Was nützt einem Unternehmen ein High Performing Team, wenn das Unternehmen selbst träge ist wie ein Faultier? Doch wenn ein Unternehmen träge ist, liegt es nicht unbedingt an den Teams!
Es ist die primäre Aufgabe des Managements, den Wert der Resilienz zu erkennen und dafür den Rahmen und die Bedingungen zu schaffen, dass ein Unternehmen sich resilient aufstellen kann.
Aber auch das ist keine Hau-Ruck-Aktion und kann nicht von einzelnen Personen an der Spitze entschieden und beschlossen werden. Die Frage, was brauchen wir, um resilienter zu werden, kann nicht nur vom Management beantwortet werden.
Der ständige Dialog mit den Teams und den Mitarbeitern ist extrem wichtig.
Nur wenn das Management weiß, was wirklich benötigt wird, kann es den Rahmen dafür geben bzw. schaffen. Gleichzeitig ist es ein eher ganzheitlicher Ansatz, der sich über das ganze Unternehmen mit allen Prozessen, organisatorischen und bürokratischen Auflagen, Regeln und Vorgaben erstreckt.
Es ist auch eine Aufgabe des Managements, den Rahmen dafür zu geben, sowohl Teams als auch Mitarbeiter auf wichtige Situationen wie Probleme und Krisen durch Training vorzubereiten, ihnen das Selbstvertrauen und den Handlungsspielraum zu geben – und zwar nicht als einmalige Aktion, sondern kontinuierlich immer wieder.
Wenn Unternehmen und Mitarbeiter darauf vorbereitet sind, dass Veränderungen „normal“ sind und sie sich schnell an neue Situationen „anpassen“ können, dann bedarf es eben nicht mehrere Wochen, bis eine Organisation aus den Home-Offices heraus endlich wieder ins Arbeiten kommt! Wenn Unternehmen gelernt haben, auf sich drastisch ändernde Situationen reagieren zu können, sparen sie viel Zeit, wenn sie die Phasen des Jammerns, der Schuldzuweisungen und des sich-selber-Leid-Tuns überspringen und sofort ins Daten sammeln, analysieren und Lösungen finden übergehen können.
Und für diese Unternehmens-Fitness brauchen Unternehmen Führungskräfte, die die Rolle des Trainers übernehmen (Achtung: auch Trainer müssen sich regelmäßig fortbilden!) und sich immer wieder neue Impulse von außen suchen!
Also nehmt eure Zukunft selber in die Hand und trainiert dafür, es gibt viel zu gewinnen – aber auch zu verlieren!
Wer aus Krisen lernen will und das Unternehmen fit für die Zukunft machen möchte, der kann dies mit unserer Hilfe machen. Denn nach einer Krise einfach nur „zurück zur Normalität“ zu kommen, ist ein Rückschritt. Viel besser ist es, die Lernergebnisse nachhaltig mit in die Zukunft zu nehmen und eine neue Normalität zu schaffen! Wir zeigen, wie das geht!